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Krieg gegen Bildung

30. Juli 2009

Islamische Fundamentalisten machen "westliche" Bildung für die Probleme in Nigeria verantwortlich. Bei Kämpfen mit den Sicherheitskräften sind nun wieder hunderte Menschen ums Leben gekommen. Und die Gewalt dauert an.

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Gefangene (Foto: AP)
Gefangene Islamisten in KanoBild: AP

Sie verurteilen alles, was ihrer Meinung nach gegen den Willen Gottes verstößt. Dabei legen sie den Koran äußerst einseitig aus. Demnach halte vor allem eine moderne Bildung die Menschen davon ab, gottgefällig zu leben. Die Menschen im Norden Nigerias haben dieser Gruppe deshalb den Namen "Boko Haram" gegeben - "moderne Bildung ist verboten".

Reiche Leute hätten in der Regel moderne Bildungsabschlüsse und würden mit dem erworbenen Wissen nun das Volk ausbeuten - mit dieser einfachen Formel erklären die Radikalen die Massenarmut, berichtet der Politikwissenschaftler Bello Gwarzo von der Universität im nordnigerianischen Zaria: "Diese Leute beziehen nun alle ihre sozialen Probleme, die Armut, den Verfall moralischer Werte auf das, was sie bei der westlich gebildeten Elite unseres Landes beobachten."

Gebildete Islamisten

Dabei sind es nicht nur Ungebildete, die sich radikalen Gruppen anschließen, weiß der Politikwissenschaftler Haruna Yerima aus dem Bundesstaat Borno: "Einige der Radikalen sind selbst zur Schule gegangen und konnten dann keine Arbeit finden. Sie leiden unter extremer Armut. Für sie ist westliche Bildung mehr oder weniger nutzlos."

Ein während der Unruhen im Bundesstaat Kano verhafteter Anhänger der Radikalen bestätigte gegenüber Reportern diese Analyse: "Unser Problem ist, dass die Justiz Gesetze anwendet, die nicht von Gott kommen", klagte er. "Sie wendet das Recht der Verfassung an. Das sind keine Scharia-Gesetze. Das Verfassungsrecht ist von Menschen gemacht. Wir glauben nicht an westliche Bildung, sondern nur an den Koran und die direkten Überlieferungen des Propheten Mohammed. Ich selbst habe westliche Schulen besucht, bevor ich meinen Irrtum erkannt habe." Der Verhaftete bestritt, an Gewaltaktionen beteiligt gewesen zu ein, aber er bestätigte, dass der Anführer der Gruppe Mohammed Yusuf aus der nordostnigerianischen Großstadt Maiduguri sei.

Aufstände mit Vergangenheit

Karte (DW-Grafik: Peter Steinmetz)
Bild: DW

Es ist nicht das erste Mal, dass eine radikale islamische Sekte in Nigeria mit massiver Gewalt gegen Polizisten vorgeht. Schon Anfang der 1980er Jahre machte die Maitatsine-Gruppe mit ähnlichen Methoden und Parolen von sich reden. Tagelang verschanzten sich hunderte Anhänger mitten in der Millionenstadt Kano und lieferten sich heftige Gefechte mit der Polizei.

Erst das Militär konnte die Aufständischen besiegen. Mehrere Tausend Menschen starben. Seitdem gab es immer wieder kleinere ähnliche Aufstände. Zuletzt überfiel eine Gruppe kurz vor den Wahlen 2007 eine Polizeistation am Rande von Kano. Die Hintergründe des Angriffs wurden bis heute nicht geklärt.

Untätige Behörden?

Die Mehrheit der nigerianischen Muslime und Islamgelehrten lehnt die Ideologie der Radikalen als unislamisch ab. Die Gruppen sind in der Bevölkerung isoliert. Der Politologe Haruna Yarima wundert sich allerdings, warum der Staat nicht viel früher eingegriffen hat: "Die Sicherheitskräfte haben ihre Aufgabe nicht erfüllt. Sie haben diese Gruppe unbeobachtet anwachsen lassen und nun müssen wir unter den Konsequenzen leiden. Schon vor Monaten wussten Leute in Maiduguri, im gesamten Norden des Landes, auch Journalisten, dass sicht dort etwas zusammenbraute."

In der Tat fragen sich viele in Nigeria, wie erneut eine solch große Gruppe sich mitten in Großstädten auf einen bewaffneten Kampf vorbereiten konnte. Ob diese Gruppen mit internationalen Netzwerken, zum Beispiel mit den Terroristen von El Kaida, zusammenarbeiten, weiß derzeit niemand. Für Haruna Yarima ist das auch zweitrangig: "Diese Gruppen wählen doch Regionen aus, wo die Mehrheit der Menschen ausgebeutet wird und mit dem herrschenden System unzufrieden ist. Erst muss eine solche Lage vorhanden sein, dann können die überhaupt erst aktiv werden und die Ernte einfahren."

Für Yarima ist deshalb klar, dass Nigerias Eliten endlich aufwachen müssen und die sozialen Probleme des Landes lösen. Ansonsten werde es immer wieder zu ähnlichen Aufständen kommen.

Autor: Thomas Mösch

Redaktion: Dirk Eckert

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